Geschichtliches

Entwicklung zur Mädchenschule

Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Stuttgarter Schulwesen neu organisiert und der gewerbliche Mittelstand wünschte die Gründung einer städtischen Töchterschule. Die dort ausgebildeten Mädchen sollten fähig sein, in den Familienbetrieben die Büroarbeiten zu übernehmen. Ein Stiftungsrat legte die Eröffnung der „städtischen Mädchenmittelschule“ auf Ostern 1860 fest. Zu Beginn des neuen Schuljahres im April 1860 wurden 151 Schülerinnen im Alter von 6 bis 12 Jahren in ein Schulgebäude in der Hospitalstraße aufgenommen.

Die Entwicklung in den darauf folgenden Jahren übertraf alle Erwartungen. 1865 gab es bereits acht Jahrgangsklassen, 1867 wurden die ersten Parallelklassen eingerichtet. Die Stadt beschloss deshalb den Bau eines Schulgebäudes zwischen der Schloss- und Kasernenstraße. Im Mai 1874 wurde das neue Mittelschulgebäude eingeweiht und 763 Schulkinder zogen in die 26 Klassenzimmer ein.

Auf dem Gelände der heutigen Schloss-Realschule standen damals parallel zueinander zwei Schulen, räumlich und architektonisch völlig gleich. Am linken Rande des Schulhofs war die Bürgerschule der Jungen. Auf dem gemeinsamen Schulhof war eine zwar unsichtbare, doch wirksame Bannmeile. So mancher „Silberblick“ wurde während der Unterrichtsstunden herüber und hinüber riskiert. Der Zweite Weltkrieg änderte das friedliche Bild völlig. Nachdem die Schule in Herbst 1943 evakuiert worden war, fielen im Juli 1944 zwei schwere Bomben auf das Schulgebäude. Die eine zerstörte als Volltreffer die Bürgerschule restlos, die andere, die im Schulhof niederging, brachte dem stabilen Bau der Schlossmittelschule (heutige Schloss-Realschule für Mädchen) schwere Schäden, die durch neue Angriffe und Brände noch vergrößert wurden.

Man kann sich heute kaum mehr vorstellen, unter welchen Bedingungen der Unterrichtsbetrieb notdürftig wieder begonnen und weitergeführt wurde: Baulärm, Nässe, Staub, Fenster nur teilweise verglast, offene Türen, durchlöcherte Wände. Nahezu 10 Jahre gaben die Bauleute die Begleitmusik. Von Grund auf wurde Stockwerk für Stockwerk wieder aufgebaut. Jede neue Erleichterung und Verbesserung für den Unterrichtsbetrieb wurde dankbar und freudig begrüßt: Lichte und dichte Fenster, Waschbecken mit Fließwasser, Beleuchtung, Zentralheizung anstelle der Gasöfen, moderne Einrichtung, Toiletten innerhalb des Hauses, Schulküche, Festsaal, Physiksaal, Treppenaufgänge, Turnhallen. Trotz aller neu geschaffenen Räume war noch lange Zeit Raumnot, da innerhalb der Schule für Mädchen Klassen für Jungen zunächst unter einem Rektorat, später getrennt aufgebaut wurde, bis die inzwischen völlig selbständig gewordene Jungenschule in das neu erstellte Gebäude der Schloss-Realschule für Jungen in der Breitscheidstraße einziehen konnte.

 

150-jähriges Jubiläum im Jahr 2010

Nach 150 Jahren strahlte der Himmel königsblau über der Schloss-Realschule für Mädchen in Stuttgart! Das altehrwürdige Schulhaus erstrahlte im frischen Feiertagsglanz zum Festakt am 16. Juli 2010. Und beim Blick zurück auf 150 Jahre Schulleben strahlten die Festgäste zusammen mit Schülerinnen, Eltern und Lehrerschaft. Für einen klangvollen Auftakt sorgten die Bläserklassen der Schule.

Die Zündkerze nahm Frau Martina Barnert, kommissarische Schulleiterin, als Symbol für zündende Ideen – damals wie heute. Der zündende Funke ermöglichte vor 150 Jahren die Gründung einer Mittelschule für Mädchen, die sich dadurch in den folgenden Jahrzehnten Schritt für Schritt den Weg in eine neue Berufswelt erschließen konnten. Dass die Ideen sprühen wie eh und je, beweist der Gang durchs Schulhaus heute.

Frau Professor Dr. Marion Schick, Ministerin für Kultus, Jugend und Sport, griff in ihrer erfrischenden Festrede spontan Ideen vom Zeitstrahl im Treppenhaus auf. Sie verglich die Arbeit in der Mädchen- und Frauenbildung an der Schloss-Realschule für Mädchen mit der Strahlkraft eines Leuchtturms: Mädchen aus unterschiedlichen Lebenswelten und Kulturen erhalten hier ein vielfältiges Bildungsangebot, das Eltern und Schülerinnen zu schätzen wissen und zusammen mit den Lehrern täglich zur Realität werden lassen. Die Arbeit an der Schloss-Realschule für Mädchen steht für das Erfolgsmodell Realschule, welches ihre Bedeutung im dreigliedrigen Schulsystem Baden-Württembergs deutlich macht.

Die Strahlkraft der Mädchenbildung wurde auch in den Beiträgen von Frau Bürgermeisterin Dr. Susanne Eisenmann und Frau Dr. Rosemarie Godel-Gaßner deutlich. Im Intermezzo wurde dank Eltern, Schülerinnen und Lehrerschaft klar, dass die Schule starke Mädchen hervorbringt! Das Miteinander aller Beteiligten brachte die eigens für das Jubiläum geschaffene Schulhymne harmonisch zum Ausdruck.

Auf dem Schulfest am Samstag, dem 17. Juli stand das fröhliche Feiern von Alt und Jung im Mittelpunkt: Die Jahrgänge der vielen Ehemaligen wurden vom Kollegium mit passenden Liedern begrüßt. Die aktiven Jahrgänge setzten ihre sprühenden Ideen um mit Beiträgen aus den Bereichen Sport, Kunst, Musik, Geschichte, Mensch und Umwelt und Technik. Die Eltern servierten Köstliches aus aller Mädchen Länder. Die wohl ältesten Gäste gehörten dem Jahrgang 1936 an! Den weitesten Weg nahm eine ehemalige Schülerin auf sich, die 1945 von der Schule abging und die aus Baltimore, USA, anreiste! Alle waren glücklich, alte Erinnerungen aufzufrischen und neue Freundschaften zu schließen. Selbst ein Regenschauer konnte die Festgäste nicht weiter als bis in die Turnhalle oder das Historienzimmer treiben, wo der anregende Gedankenaustausch munter weiterging.

Unüberhörbar war der einhellige Wunsch „Weiter so, Mädchen!“.